Was haben Gärtner und Schreiberlinge mit einander gemeinsam?
Seit ich diese Frage immer wieder verfolge, stoße ich auf sehr viele Gemeinsamkeiten. Als schreibende Gärtnerin oder als gärtnernde Autorin (je nach Jahreszeit) helfen mir solche Vergleiche durch den Alltag. Wenn es darum geht einen großen Roman im Kopf zu sortieren, oder wenn ich mich täglich an die Überarbeitung eines Buches setzen will, oder sollte, um einen Termin einzuhalten. Oder einfach nur, wenn meine Schulter vom Tippen wehtut und ich mich im winterlichen Garten ablenken will.
Umgekehrt liegt jeder Gartenplanung eine Konzept zugrunde.
Was für Formen will ich, aus welcher Perpektive sehe ich in den Garten, welche Räume sollen entstehen. Das klingt alles ähnlich wie Setting, Perspektive oder Genre …
Es ist Winter und mein neuer Roman verlangt Geduld und langen Atem. Also geht es heute um das Thema Geduld:
Geduld ist die Tugend des Indianers und bringt einem christilichen Weißen keine Schande … wirst du denn nie die Weisheit der Geduld erkennen lernen?
J.F. Cooper, Die Prärie
Geduld ist also eine Tugend und höchst erstrebenswert. Wieso assoziiere ich dennoch mit Geduld gleichzeitig Langweile, brav sein oder angepasst sein? Und wieso gehört nach ein paar Jahrzehnten auf dieser Welt, Geduld immer noch nicht zu meinen Stärken?
Das liegt an dem negativen Beigeschmack. In Wikipedia heißt es:
„Als geduldig erweist sich, wer bereit ist, mit ungestillten Sehnsüchten und unerfüllten Wünschen zu leben oder diese zeitweilig bewusst zurückzustellen.“ Das entspricht nun gar nicht heutigen Werten. Unerfüllte Wünsche gibt es nicht, darf es nicht geben. In unserer Gesellschaft muss man sich alles leisten können. Warten können, gehört nicht zu den Kernkompetenzen, die verlangt und vermittelt werden.
Schade, denn Geduld brauchen wir in vielen Situationen.
Wer einen Roman entwirft, wer Erfolg mit seinen Büchern haben will, wer einen Apfelbaum pflanzt braucht Geduld …
Niemand würde einen Apfelbaum pflanzen, wenn er sofort Früchte ernten will. Schnelle Ernte erreiche ich bei Erdbeeren, vorallem wenn ich schon größere Pflanzen kaufe. Obwohl: auch für Apfelbäume haben Züchter Wege gefunden die Wartezeit bis zur Ernte zu verkürzen. Sogenannte Spindelbüsche tragen früher. Die Bäume sind kleiner, kurzlebiger und werden so geschnitten, dass der Fruchtansatz wesentlich eher erfolgt. Schnelle Ernte gibt es also auch im Gartenbau. Trotzdem. Wer den Wachstumsrhytmus in einem Garten genießt, weiß, dass er warten muss, wenn er einen Apfelbaum pflanzt. Und der Gärtner freut sich auf diese Wartezeit. Der Baum wächst, blüht das erste Mal, trägt höchtens zwei oder drei Äpfel, verliert die Blätter und bildet schon im Herbst die Knospen für das nächste Jahr. Herrlich. Ist Geduld also doch eine befriedigende Eigenschaft?
Geduld ist wie der Winter im Garten: unter der Erde geschieht ein Menge.
Es gibt noch ein Phenomen aus dem Garten, dass uns das Warten erleichtert: Der Winter.
Als im vergangenen Jahr der November so ungewöhnlich warm blieb, entschied ich mich doch noch Pfingstrosen umzupflanzen. Ja, ich weiß, das ist viel zu spät für Pfingstrosen. Ich habe meine allerdings schon öfters umgepflanzt – sie blühen jedes Jahr wieder. Als ich sie ausgrub waren alle unterirdischen Knospen zu sehen. Dick, bestimmt schon ein Zentimeter groß und weißlich rosa. Oberflächlich war den Pflanzen kein Hauch Leben anzusehen. Nichts. Gelichzeitig saugen sich die Wurzeln unter der Erde mit Energie und Nährstoffen und Wasser voll. Bereiten alles vor, was sie für das nächste Jahr brauchen. Alles um Blätter und prächtige Blüten zu bilden. Außerlich sehen wir nichts. Wir warten, bis die Kälte vorüber ist. Wir haben Geduld.
Was ist, wenn in den anderen Phasen des Lebens, in denen wir Geduld brauchen, auch soviel passiert?
Während augenscheinlich nichts voran geht, werden im Inneren alle Kräfte mobilisiert und sie bereiten die nächste Wachstumsphase vor. Vielleicht brauchen wir auch diese Phasen des Sammelns um unsere Ziele zu erreichen?
Geduld ist doch eine Tugend und so kann ich ihr auch etwas positives abgewinnen.
Dumme hasten,
Kluge warten
Weise gehen in den Garten.
Chin. Sprichwort